Yangmei - oder: China mal anders

Heute, ob ihr es glaubt oder nicht, heute sind wir um kurz nach ACHT Uhr aufgestanden! Und das, obwohl Feiertag war und wir frei hatten. Das hatte jedoch einen guten Grund: Wir, zwei deutsche, junge Mädchen ohne jegliche Chinesischkenntnisse hatten uns in den Kopf gesetzt, etwas besonderes zu machen. wir wollten zumindest für einen Tag mal wegfahren, was sehen, raus aus der Stadt, unseren Horizont erweitern.

Eigentlich wollten wir zum Detiang-Wasserfall - atemberaubende Kulisse in den Bergen direkt an der Grenze zu Vietnam, nach Lonelyplanetangaben 3-4, also 5 Stunden Fahrt mit dem Bus. DAS jedoch wollten unsere Linkteacher und der Herr Schulleiter nicht erlauben, zu groß war die Sorge um unsere Gesundheit und Sicherheit ("Take care of yourself, take care of your money, just take care of everything" - "Safety is the most important" um zwei Zitate unserer Linkteacher einzuwerfen)

Mary, die Tantenartigste von ihnen, schlug vor, selbst mitzukommen. Da wir das jedoch unbedingt vermeiden wollten und auch wussten, dass Patrick viel zu viel zu tun hat, änderten wir den Plan zu einem Ausflug nach Yangmei - ein kleines, echt chinesisches Städtchen, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint - und damit hatten wir Erfolg.

Yangmei liegt nicht weit von Nanning entfernt, dennoch dauerte die Fahrt 1 1/2 Stunden, denn es ging zum Großteil über schlaglochgespickte Straßen quer durchs Land. Wir haben manchmal meilenweit Bananenplantagen gesehen, zwischendurch das ein oder andere Reisfeld, hin und wieder heruntergekommene Steinhütten vor denen im Schatten Chinesen Brettspiele oder Karten spielten und Frauen Erdnüsse sortierten. Hier trägt man auch noch den altbekannten Chinesenhut, der wie ein flacher Kegel geformt ist. Alte Mütterlein mit vom Wetter und von der Alltagslast zerfurchten Gesichtern, die in Deutschland schon seit Jahren im Altersheim dahinvegetieren und absterben würden, schleppen tapfer Jochs mit Körben voller Nüsse, Früchte, Holz oder ziehen Karren auf denen das Erdnussöl in Kanistern hin und her schwappt. Einer dieser Mütterchen haben wir geholfen. Sie zog einen großen, schweren Wagen und kurz zuvor war ein Monsunregen auf uns niedergeprasselt, währenddessen wir glücklicherweise bei einer anderen alten Frau Unterstand gefunden hatten, sodass der Lehmboden völlig aufgeweicht war und die Räder des Karrens immer wieder stecken blieben. Noch dazu stieg die Straße bergan... sie hat sich sehr gefreut.

Yangmei ist eine Stadt, die in erster Linie von der Landwirtschaft lebt, viele Menschen versorgen sich auch selbst von der Hand in den Mund. Zum Beispiel hat jedes Haus einige freilaufende Hühner und meist mindestens eine Kuh oder ein Rind. Wir haben zum Glück immer rechtzeitig weggucken können, bevor einem Hahn der Garaus gemacht wurde. Zum anderen gibt die Stadt aber auch einiges für Touristen her, da in ganz China ständig modernisiert wird und die schönen, alten Ecken verschwinden wie die weißen Flecken von den Landkarten im 19ten Jahrhundert. Wer heute einen Atlas aufschlägt, wird keine weißen Flecken mehr finden, selbst die Antarktis ist gut erforscht. Ähnlich wie die Entdeckerwut der Menschen breitet sich im chinesischen Volk eine Bau- und Modernisierungswut aus, die nichts verschont. Daher ist Yangmei mit z.B. seinem kleinen, aber feinen Konfuziustempel wirklich sehenswert. Ich stelle auch Bilder rein!

 

Heute abend war dann großes Mondfest oder Mittherbstfest. Es wurden Laternen angezündet, Feuerwerk gestartet (obwohl das kein klassischer Brauch ist, meinte jedenfalls Patrick) und wir haben endlich unsere Mondkuchen probiert, wobei die eine Sorte wesentlich besser war als die andere. Immerhin war keiner mit Fleisch oder Gemüse gefüllt...

Da Patrick bisher immer bei uns Zuhause war und das so nicht weitergehen konnte, haben wir heute abend ihn besucht und dabei noch seinen Freund, den Belgier "Chris" kennen gelernt, der auch echt lustig ist. Besonders Ebru und er haben sich perfekt verstanden - aber Ebru versteht sich, glaube ich, mit vielen Leuten super :)

tatsächlich sind nach dem Regen vom Nachmittag doch noch rechtzeitig die Wolken aufgerissen und haben den vollen, schönen Mond enthüllt, zu deren Ehren das ganze Fest ja gefeiert wird. Er war wirklich sehr würdevoll rund und stand nahezu im Zenit. Nur die Frau im Mond - die konnten wir nicht erkennen.

Nach einem langen, anstrengenden, unglaublich spannenden Tag sind wir gegen Mitternacht endlich Zuhause angekommen. Allmählich ist es drei Uhr und nur der Gedanke, dass wir beide morgen noch einen Tag frei haben, beruhigt, wenn man ab und an doch einen Blick auf die Zeit erhascht. Ich bin müde, aber es sausen mir immer noch so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich mich jetzt unmöglich hinlegen und schlafen könnte, auch wenn das Aufschreiben und Rekapitulieren schon viel Ordnung in die Gehirn"matsche" (mehr ist nicht übrig bei den Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit :) ) bringt.

Der Tag war irgendwie ein bisschen wie aus einer anderen Welt, wir waren selbst erstaunt, so etwas zu erleben und das will erstmal verarbeitet werden. Und da unser Schlafrythmus eh für die Tonne ist...

Fazit des Tages ist jedoch ganz klar: Liebe Linkteacher, wir sind schon groß: Wir können ohne Chinesisch zu sprechen alleine nach Yangmei fahren, einen schönen Tag dort verbringen und heil wieder Zuhause ankommen. Ihr müsst euch keine Sorgen um uns machen und uns etwaige Abenteuer, die wir planen, aus Angst verbieten. Das ist weder nötig noch lustig. Danke schön!!!

 

P.S.:

"Wir versprechen immer auf uns und unsere Sachen achtzugeben und falls etwas passiert, anzurufen. Wir versprechen, immer Bescheid zu sagen und eine Notiz zu schreiben, bevor wir woanders hinfahren. Ebru und Wiebke"

Plus Datum. Zielort und Begleitpersonen...

 

MUSS DAS DENN SEIN?

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Weise Weisen

 

Heimat ist nicht

da oder dort.

Heimat ist in dir drinnen

 - oder nirgends.


Hermann Hesse