Sprung in die chinesische Kultur - oder: Was ist bloß mit Duncan los?

Chinas Kultur näher kennen lernen. Was uns bisher nur schwerlich gelang, da wenig alte Gebäude erhalten geblieben sind, die Kulturrevolution vieles zunichte gemacht hat und wir bislang keine sehr kulturkundigen Menschen kennen gelernt hatten, hat sich nun schlagartig gewandelt. Am Sonntag hat Duncan - ich hab ihn bereits im letzten Artikel erwähnt - uns auf einen Ausflug zum Qing Xiu Shan, einem kleinen Berg im Südosten Nannings mitgenommen, um uns chinesische Tempel zu zeigen und einen Tag draußen zu verbringen. Dabei hat er uns einiges über chinesische Fabelwesen erzählt, denn auch solche standen aus Stein gehauen dort herum, wir haben Blumen bewundert - er ist ein absoluter Rosenfan ;) -  und sind in einer Art Abenteuerspielplatz herumgeklettert, das heißt mehr die beiden, da ich dummerweise einen Rock anhatte. Außerdem hat er uns von Mönchen erzählt, die sich auf Kosten der Steuerzahler ein schönes Leben machen und seiner Ansicht nach nicht im mindesten dem Bild entsprechen, das die Welt von Mönchen hat und die heutzutage leider in China überall gegenwärtig sind und dann durften wir ihm beim Beten zusehen - vor jedem Buddha einmal, jedesmal ein Räucherstäbchen in einen großen Bottich gesteckt, bei jedem Mal einen Wunsch an Buddha gesandt. Natürlich im Stillen, jeder betet hier für sich. Und dann haben wir doch tatsächlich einen BAUM umrundet, um Glück in der Liebe zu haben - ich gestehe, ich hab versucht mir das Grinsen zu verkneifen und das ganze etwas ernster zu nehmen - so recht ist es mir nicht gelungen. Vermutlich klappt es daher auch nicht ^^.Ebru hat schlauerweise verzichtet, denn wer bereits in einer Beziehung steckt, gefährdet diese, wenn er oder sie sich noch mehr Glück in der Beziehung wünscht. Duncan hat das jedenfalls behauptet und folgendermaßen bewiesen: "It's working, I know that. I know a girl, she had a boyfriend and nevertheless she went round the tree. And just one week later the two broke up." Ja, das hat uns die Augen geöffnet, das war das schlagende Argument...

So verging der Tag und auf der Rückfahrt im Bus erzählte Duncan mir Anekdoten aus seiner Kindheit - gefühlt war es seine ganze, aber irgendwie kommt doch immer noch mehr...

War aber auch echt interessant, da er aus einem Dorf im Norden Chinas kommt und da einiges anders ist als hier: Das Essen, das Mondfestfeiern, die Jahreszeiten... Ich kenne seine Familie mittlerweile auch ganz gut - obwohl ich kein Foto gesehen und keinem von ihnen die Hand geschüttelt habe. Seine Mutter ist Jüdin und wie Chinesen eben so sind, respektieren sie die anderen Religionen nicht nur, nein, sie beten selbst einfach auch mal zu den anderen Göttern. So auch Duncan, als er krank war - Chinesen stellen sich gerne mit allen Göttern gut, ob sie sich mit ihnen auskennen oder nicht - es spiegelt zum einen wieder, wie großen Problemen sie in der Vergangenheit oft ausgesetzt waren, sodass sie nicht all ihr Vertrauen auf nur einen Gott legen wollen, zum anderen wird hier deutlich, welche abergläubische, kindliche Position viele was Religion angeht einnehmen. Das macht sie zum einen weltoffen und tolerant, zum anderen wirkt das Umherwedeln mit Räucherstäbchen vor heiligen "Bottichen" verdammt heuchlerisch. Ich glaube, die Chinesen wissen selbst nicht, was sie glauben sollen. Seit Mao sind sie ihrer Traditionen, ihrer Kultur in weiten Teilen beraubt worden, sie gehen mit der Wissenschaft und kaum einer würde die direkte Frage: Glaubst du an einen Gott?" mit "Ja" beantworten und dennoch sind die Tempel hier voller betender Menschen - das würde man in Euopa nie so antreffen.

 

Okay, Sprung ---

 

Heute waren wir eingeladen, bei ihm typisch chinesische, selbstgemachte Suppe zu kosten und mit ihm die chinesische Teezeremonie zu feiern.

Offengestanden ging uns das "Kennenlernen" doch irgendwie zu schnell und bedenkt man, dass wir ihn das erste Mal letzten Mittwoch - vor noch nicht einmal einer Woche - getroffen haben und mittlerweile bereits zwei Mal von ihm zum Essen eingeladen worden und am Sonntag um die 12 Stunden mit ihm verbracht haben, wird das hoffentlich verständlich. Da er aber echt ein netter Typ ist, was soll man machen? Wir könnten ihn niemals abblitzen lassen, wie die Vollidioten vom Anfang (Freunde im Überfluss), wenn es uns zuviel wird, dafür ist er einfach zu gutherzig und nett. Dennoch - wenn jemand nachdem man mit ihm von halb Acht Uhr morgens bis Sieben Uhr abends unterwegs war - und derjenige dann um 10Uhr am gleichen Abend anruft um zu fragen ob wir schon gegessen hätten, und ob er und sein Freund uns zum Barbecue einladen könnten - wie bitte soll man das nennen???

An jenem Abend hatten wir wirklich genug von ihm, egal wie nett er ist, und so sagten wir ab, verschoben es auf Dienstag und - here we are: Es ist halb eins, nachts, und wir sind eben von ihm zurückgekommen, vollgestopft mit Suppe, Tee, Sonnenblumenkernen, Kürbisbohnen und Erdnüssen...

Heute abend hatten wir überhaupt keine Lust zu ihm zu gehen, offengestanden. Vielleicht lag es daran, dass ER immer zu UNS kommt - und zwar mit einer gewissen Beständigkeit - und dass er sich gerne wiederholt, auch wenn wir es mittlerweile gecheckt haben, vielleicht auch daran, dass Ebru nach dem Tag im Freien und dem vielen Laufen den nettesten Gesprächsverlauf - den auf der Rückfahrt im Bus - verschlafen hatte Vielleicht auch an der Art, wie er uns heute nochmals an das Treffen erinnert hatte, als wir ihm zufällig auf der Straße begegnet waren: "Wei Kou!" hör ich nur von hinten, da ist er auch schon neben mir, in der Hand eine Tüte mit Gemüse vom Markt. Da wir im Kopf hatten, wir würden zusammen draußen irgendwo was essen gehen, hatte Ebru Patrick gefragt ob er mitwolle. Gerade außerhalb zu essen, passte Duncan aber nun garnicht, er meinte nur so: "And what do I do with this, then?", auf die Tüte deutend - okay, wir gaben uns geschlagen, und letztendlich konnte Patrick nun doch nicht mit, da ihm ein ellenlanger Aufsatz aufgebrummt worden war. Woran es auch lag, wir machten uns nur schweren Herzens auf, ihn zu treffen, in der Gewissheit, ihn nicht versetzen zu DÜRFEN.

Tatsächlich wurde der Abend angenehmer als erwartet: Am anfang taten wir uns ein wenig schwer mit einem Gesprächsthema, aber es war dann natürlich schnell gefunden: Essen - wie wir von dort zur Geschichte Chinas und zu Krieg gekommen sind und was wir über die Chinesen so alles erfahren haben ist eine lange, unschöne, grausame, wenn auch interessante Geschichte, die ich hier jedoch nicht ausbreiten will. Ich schreibe allerdings in der Rubrik "Typisch Chinesisch" etwas darüber.

Ich bitte alle, die sich nervlich nicht viel zumuten wollen oder können, alle, die unter 16 Jahre alt sind (sorry Lisa, das ist nur das Beste, was ich dir antun kann) und alle, die sonst in irgendeiner Form zu leicht zu entsetzen sind, sich den dortigen Artikel NICHT durchzulesen. Das ist mein voller Ernst. Wer es dennoch tut, sei sich bewusst, auf eigene Verantwortung zu handeln.

Was wir heute jedoch am eigenen Leib erfahren haben, ist eine echte chinesische Teezeremonie. Die gehört zu China, wie der Burger zu Macces - wer China verlässt, ohne einer Teezeremonie begewohnt zu haben, war nicht in China - so Duncan.

Ein Teeservice besteht aus 10 kleinen Trinkschälchen, die in etwa die Größe von Puppentässchen haben, einer von der Größe dazu passenden Kanne mit Filter, einer Schale mit Deckel, in der der Tee zieht und einer Hand, die das im Moment nicht benötigte Accessoire wie einen Deckel oder den Filter "hält". Der Tee wird lose in die Schale gestreut, Teewasser darüber gegossen, dann zieht der Tee eine Weile mit Deckel darauf, wird dann durch den Filter in die Kanne gegossen, dabei hält man die Teeblätter davon ab, aus der Schale zu fallen, indem man den Deckel schräg auf ihr hält. So hat man in der Kanne schließlich schönen, klaren Tee, der dann in die klitzekleinen Becherchen gefüllt wird. Zwei kleine Schlucke und sie sind leer, dann wird nachgegossen, denn in der Zeit wurde bereits neues Teewasser aufgegossen. Und wieder und wieder. Mehrere Stunden lang. Ja, wenn man mal nichts zu tun hat - wirklich nichts zu tun - dann gehe man doch einfach zu einer chinesischen Teegesellschaft...

Dazu isst man Kerne, Nüsse, Knabberzeug - ohne das ist das Teetrinken kein richtiges Teetrinken, meinte Duncan, so wie zu einer ordentlichen Kaffeezeit auch Kekse oder Kuchen gehört.

Jemanden zum Tee einladen gehört hier so sehr zum guten Ton, wie jemandem nicht die Tür vor der Nase zuzuschlagen, wenn er auf der Türschwelle steht. Wer das unterlässt, vergisst oder sonst etwas - gleich wem gegenüber - verliert sein Gesicht. Kein Wunder, warum Chinesen so gastfreundlich sind ;)

In Fujian wird es sogar bereits als negativ aufgefasst, wenn man nicht zu einem schönen Mäusefleisch-Essen eingeladen wird. Ja, ihr habt richtig gehört: Mäusefleisch. Das soll übrigens sehr gesund und lecker sein und Inkontinenz oder Blasenschwäche und -Entzündung heilen können. Überhaupt schwört Duncan wie viele Chinesen auf die gute alte chinesische Medizin: Er kann sich oft mithilfe von dem richtigen Essen selbst heilen, während dem in westlicher Medizin unterrichteter Doktor keine Pille mehr einfällt, die er ihm verschreiben könnte.

Soviel möchte ich denen auf den Weg geben, die sich noch den anderen Artikel durchlesen möchten: Wie ihr seht gibt es auch viele positive Aspekte der chinesischen Küche - und das sind jene, die heutzutage auch eher noch Anwendung finden. Behaltet das bitte im Hinterkopf.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Weise Weisen

 

Heimat ist nicht

da oder dort.

Heimat ist in dir drinnen

 - oder nirgends.


Hermann Hesse