Neujahrsreise 1.Teil: Shanghai

Nach 30 sich quälend dahinziehenden Stunden im Zug zwischen Nanning und Shanghai, wurden wir - Johannes und ich - am Abend des 14. Januars von einem angenehmen, tollen Hostel (besser als die meisten deutschen, die sich von den Hostelstandards und Preisen in China ruhig mal eine Scheibe abschneiden könnten) und dem beeindruckenden, wenn auch leicht nebelverhangenen, Blick auf die nächtliche beleuchtete Skyline belohnt. Nicht wissend, was wir mit unserem müden Sitzfleisch, den geräderten Gliedern und dem sich der Nacht zuneigenden Tag noch anfangen sollten, liefen wir den Bund, der gleich bei uns um die Ecke lag, hinunter und erkundeten in ansätzen die nächste Gegend um das Hostel herum. Wir aßen in einem nicht ganz koscher aussehenden aber leckeren Laden, in welchem wir zu unserem Tisch eine kleine und seeehr steile Leiter hochklettern mussten, oben von Gerümpel aber ordentlich-gut gedeckten Tischen empfangen wurden. Der Fleischtopf, den wir uns teilten war angenehm scharf, wir waren zufrieden.

 

Am nächsten Tag, wir schreiben Sonntag, den 15., brachen wir spät auf, um Caro vom Flughafen abzuholen. Der Pudong Airport war die Reise nicht wert, er besteht aus verwirrenden, langen, kahlen, kalten, grautristen Gängen ohne hinreichende Beschilderung. Nach einiger Sucherei fanden wir Caro dann doch noch, nachdem ich schon mehrmals befürchtet hatte, am falschen Flughafen zu sein...

Die Fahrt zum Flughafen sollte sich wegen der Rückfahrt lohnen: Wir hatten nämlich vor, mit Maglev, dem in Deutschland gebauten Transrapid und momentan schnellsten Zug der Welt, zu fahren. 

Tatsächlich waren wir innerhalb von acht Minuten am Endpunkt angelangt, es ging also viel zu schnell vorbei. Größter Kritikpunkt: Die Strecke ist zu kurz und lohnt daher den ganzen Aufwand nicht. Außerdem bemerkt man die Geschwindigkeit kaum, wenn man im Zug sitzt. Gäbe es noch keine Flugzeuge, wäre er beeindruckend, aber so...

Um Caro den Jetlag zu versüßen (gehe niemals wegen Jetlag ins Bett!) zeigten wir ihr erstmal den Bund, laanger Spaziergang mit Blick auf Pudongs Skyline, dann suchten wir vom Hunger getrieben die im Lonely Planet angepriesene Fressmeile auf, in Erwartung zigweise Essensstände und Trubel. Es war enttäuschend: wenige und teuer wirkende Restaurants, langweilige Kantinen, die in ganz China den gleichen Fraß anbieten und ein - genau ein! - Straßenstand, der aufgrund seines Monopols die Preise in die Höhe getrieben hatte. 

Letzlich fanden wir dann noch eine kleine familiengeführte Garküche, die voll wirkte. Wie sich hinterher herausstellte, gefüllt mit Familienangehörigen dieser Sippe. Das Fehlen weiterer Gäste war letztlich berechtigt.

Weil der Abend noch jung war setzten wir per Fähre rüber nach Pudong, was uns völlig kalt ließ, denn das war es: Eine kalte graue, glasige Stadt aus Wolkenkratzern ohne jedes Flair oder Leben darin. 

Aus diesem Fehler gelernt verschwendeten wir in den darauffolgenden Tagen keine Zeit mehr auf der modernen Seite Shanghais. Der Rest ist nämlich weit weniger modern, als man immer meint. Natürlich sind da die shoppingstraßen mit ihren gewaltigen einkaufszentren und auch im Rest Shanghais stehen immer mal wieder Banken- und Versicherungskomplexe herum, oder sowas ähnliches, aber es gibt eben auch die französische Konzession und die vielen britischen, amerikanischen Gebäude noch aus der Kolonialzeit, die die Straßenränder schmücken. In der Straße unseres Hostels war es beispielsweise "very british".

Am nächsten Tag ging es dann auf die Suche nach Wissen ins Shanghaimuseum am People's Square, ein von außen hässliches, von innen jedoch sehr reichhaltiges mit vielen interessanten und wertvollen Exponaten bestücktes Gebäude, in dem wir einige Stunden zubrachten.

Kaum wollten wir die müden Beine ausstrecken und uns auf eine Bank setzen wurden wir von einem "deutsch"(!)sprechenden, ziemlich alten, übel riechenden Mann genervt, der uns in etwa mitteilte, dass: "Deutschland gut - Wirtschaft gut, weil Erziehung - gut, Bildung - gut, Autos gut. Sehr gut Erziehung, Deutschland sehr gut", in etwa eine Stunde lang, bis wir es endlich schafften, ihn loszuwerden.

Danach wollten wir eigentlich in ein Café, wurden jedoch auf der Suche nach einer ordentlichen Stadtkarte und dem Magazin "That's Shanghai" so lange von A nach B nach C geschickt, dass wir uns das Café aufgrund der toten Füße abschminkten.

Am dienstag wollten wir endlich mal die angepriesene Shanghaier Spezialität "Xiaolongbao" (kleine gefüllte Teigtaschen, gedämpft, sehr lecker) probieren und nahmen uns vor diese als spätes Frühstück in der Shanghaier "Chinatown" zu genießen. Das Restaurant war teurer als vom Lonely Planet behauptet, schieben wir's mal auf die Inflation, die in einigen Restaurants und Gegenden offenbar stärker zugeschlagen hat als anderswo...

Dort fanden wir auch den Yu-Garten, eine von einem Mr Yu vor langer Zeit angelegte Gartenanlage, die man mit einem eintrittsentgelt von 30Y besichtigen konnte. Dort war es wirklich schön, wir haben viele, viele Fotos geschossen.

Als wir dann alles gesehen hatten, nahmen wir uns vor, noch für eine Weile durch Chinatown zu laufen und uns umzusehen, doch kaum waren wir aus dem Garten heraus, bekamen wir alle den Touristenwahn an eigener Haut zu spüren, es war kaum Platz für die eigenen Zehen an manchen Ecken, so schnell uns die Masse trug, schlichen wir einem der Notausgänge (treffender kann man die rettenden Lücken zwischen den Häusern einfach nicht beschreiben) entgegen, um endlich wieder Luft zu atmen und weiter als bis zu unserer Nasenspitze zu sehen.

Zu viel Touristentrubel macht Lust auf Café, eigentlich wollten wir ins Boona, das jedoch nicht mehr existierte, also liefen wir noch ein Stück durch die französische Konzession und fanden schließlich das Café Vienna, das seinem Namen alle Ehre macht: Darin fühlten wir uns tatsächlich wie in einem Kaffeehaus in Wien. Es war so nett da, dass wir blieben, bis es draußen dunkel wurde, ohne Abendbrot zu essen, da weder Hunger noch Geld übrig waren, fuhren wir zurück ins Hostel, das sehr zentral an einer der zentralsten Metro-Haltestellen lag, ein Umstand, der Shanghai zu einem sehr entspannten Ort machte.

Am Mittwoch hatten wir das Gefühl nicht mehr zu tun zu haben, als die Tickets für Donnerstag nach Hangzhou zu besorgen. Da es nieselte setzten wir uns zu Starbucks. Ich möchte hier betonen, dass obgleich der Name dieser Cafékette im Laufe der Zeit noch öfter genannt werden wird, wir nicht zu Starbucksaholics geworden sind, der Besuch dieser Einrichtung beschränkt sich einzig und allein auf China mit der begründung, dass im übrigen Land weder Kaffee noch heiße Schokolade auch nur annähernd deutsche Qualität erreicht. Auch Starbucks mag nicht daran herankommen, was man in einigen europäischen Cafés serviert bekommt, im Vergleich zu jedem chinesischen ist es jedoch das weitaus beste Café des Landes.

Am Donnerstag brachen wir zeitig auf, um den Zug zu kriegen, doch da keiner von uns das Ticket sorgfältig studiert hatte, fuhren wir zunächst zum falschen Bahnhof. Als wir dann am richtigen ankamen, war der Zug gerade abgefahren, aber wir ekamen ohne Aufpreis zahlen zu müssen ein neues für nur wenige Minuten später. 

Die Fahrt nach Hangzhou verflog nur so, da die Züge nach allem was wir aus Guangxi gewöhnt waren ungewöhnlich schnell waren.

Es war noch früh als wir in Hangzhou ankamen, doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

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