Die Yunnanreise - Kunming

Am Bahnhof holte Jia Wei mich ab, ein sehr netter Junge mit dem ich seit einer ganzen Weile skype, um uns gegenseitig bei chinesisch und englisch zu unterstützen und einfach zum quatschen. 

Am Nachmittag - ich kam erst um 12 Uhr an - zeigt er mir die interessanteren Ecken der Stadt, von der er behauptet, sie sei nichts besonderes. Es reiht sich auch nicht gerade Sehenswürdigkeit an Sehenswürdigkeit und die Stadt ist natürlich auch immer mehr ausgewuchert, mit hohen Häusern, breiten Straßen, zu viel Verkehr. Aber in der Innenstadt gibt es einige Ecken, die noch voll mit baufälligen, aber reizvollen Holzhäusern stehen, wo keine AUtos fahren dürfen, die Luft ist klar (nach Nanning mal eine angenehme Abwechslung), es gibt viele Blumen und Vögel, und die alten Teile der Universität (der Großteil ist mittlerweile in neue Gebäude umgelagert, da die Studentenzahlen ständig zunehmen) sind traumhaft. 

Dennoch reicht ein Nachmittag völlig aus, um die schönsten Ecken der Stadt zu sehen. Am Abend aßen wir Yunnans Jiaozi. Eigentlich wie in Guangxi, mit dem Unterschied: Jede Füllung ist möglich! ;) war sehr lecker, meiner Meinung nach. Jia Wei schwärmt indessen von denen seiner Mum - DIE seien köstlich! ^^

Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Bus zu den Xi Shan, den Westbergen. 

Im Lonely Planet stand was von schönen Wanderwegen zum Nulltarif. Die Wanderwege waren noch da, der Nulltarif nicht mehr. Große Gebiete waren eingezäunt, die mit dem Traumblick auf Kunming und Dian Chi, ein großer See, südlich der Stadt. Eintritt: 40 Yuan. Wir wollen über Nacht bleiben, also suchen wir zunächst einen Platz zum Schlafen und wir finden ein wunderschönes Hotel, in dem zwar die Dusche nicht funktioniert (es herrscht Wassermangel in Kunming, ist in der Uni ähnlich), wir aber drei Mahlzeiten und die Übernachtung für 50 Yuan bekommen. 

Dort sagt man uns, dass um 5 Uhr nachmittags die Kassierer und auch sonst alle Feierabend machen, danach ist das Gelände offen für jeden zugänglich. Mit dem Wissen speisen wir erst einmal zu Mittag, dann erkunden wir die anderen, nicht eingezäunten Berge. Vielleicht etwas inspiriert vom Film am Vorabend (über eine Truppe, die sich einen Weg durch den Dschungel bahnt, um einen neuen Weltrekord aufzustellen), weichen wir immer wieder vom Weg ab und schlagen uns durch das Gebüsch, um auch einmal auf einen Gipfel zu gelangen. Bei der Höhe übrigens nicht ohne: Treppensteigen macht überhaupt keinen Spaß mehr, nach 20 Stufen war ich am keuchen... Ohne Pfad war es besser, a konnte man selbst die Schrittgröße entscheiden. 

Pünktlich um fünf nach fünf gingen wir - nach einer Weile Ausruhen - schnurstracks am verlassenen Kassiererhäuschen vorbei. Eine Weile folgten wir dem Weg, aber das wurde bald langweilig und erneut liefen wir querfeldein (Von Feld kann eigentlich nicht gesprochen werden) und kraxelten und sprangen über Felsen. Wir hatten schöne Ausblicke auf den See und die Stadt, das beste aber war das Gefühl von Freiheit, oben auf dem Gipfel auf einem Felsen zu stehen, die traumhafte Landschaft zu betrachten, alles unter einem, nur die Berge am Horizont mochten höher gewesen sein, völlig allein und kein Pfad in Sicht, die klare Luft atmend. 

Irgendwann gelangten wir an einen der berühmten Zäune, aber wir wollte noch nicht zurück, lieber noch höher, auf den nächsten Berg. Wir kletterten über den Zaun, was nicht ganz einfach war, aber nach einer Weile waren wir beide drüben. Es war ja niemand da, der uns hätte aufhalten können. Hinter dem Zaun war das Gebüsch noch dichter, es gab nicht einen einzigen Pfad mehr, vielleicht war es Naturschutzgebiet. In dem Stück habe ich mir wohl meine Beine am meisten zerkratzt. Ich stand gerade wieder auf einem Felsen, am Überlegen, ob ich zum nächsten springen solle oder doch einen Schritt ins Dickicht machen, als ich es rascheln hörte, ich sah genauer hin und kurz darauf sah ich eine Schlange, vielleicht einen meter lang, graugrün, kaum gemustert, sich davonschlängeln. Erst war ich erschrocken, dann erleichtert (ich stand ja etwa einen Meter über dem Boden auf dem Fels) und danach zog ich - wenn möglich immer die Felsen vor. Am Ende waren wir ganz oben. Und dort trafen wir dann eine Ziege - wir ware also doch nicht allein mit Schlangen und Insekten ;).

Der Abstieg war abenteuerlich, schien teilweise unmöglich, aber es ging. Am Ende waren meine Beine völlig verschrammt und dreckig, Jia Wei's weiße Socken waren schwarz und wir waren erschöpft aber begeistert. Das Abendessen war super, obwohl etwas scharf, so doch sehr angenehm und erfrischend (ebenso wie das Mittagessen, aber bei dem hatten wir die Hälfte nicht essen können, so viel war es) das Abendessen verputzten wir beinahe vollständig.

Eines der Gerichte war außergewöhnlich: Oder habt ihr schonmal von knusprig gebratener Pfefferminze gehört?

Ich würde das gerne nachkochen, aber wie bitte kriegt man Pfefferminze knusprig???

 An dem Tag fühlte ich mich wirklich wie im Urlaub (nicht auf Reise), alles - das Wetter, die Landschaft, die Atmosphäre, das Essen, Zeit zum Lesen, das Klettern - all das gab dem Tag den Hauch von Luxus, den ein Urlaub braucht.

Am nächsten Tag verabschiedete ich mich von Jia Wei und fuhr per Bus über Jianshui (3 1/2h Autobahn) nach Yuanyang (3 1/2 h selten und schlecht asphaltierte Serpentinenstraße). 

Was, fragt ihr euch sicher, macht einen so langen, beschwerlichen Weg, wert?

Erfahrt ihr dann im nächsten Blogeintrag, jetzt muss ich mich erstmal um die Fotos kümmern und meinen Unterricht für die nächste Woche vorbereiten.

 

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