Die Yunnanreise: Yuanyang und Jianshui

Der Beginn der Fahrt war noch nett: Ich unterhielt mich angeregt mit einer Frau und ihrem Sohn, die mich zum Essen zu ihnen einluden. Sie stiegen vorher aus und da ich noch die Reisterassen sehen wollte, musste ich die Einladung ablehnen, aber die zwei waren echt liebenswert. 

Danach ging es nicht ganz so lustig weiter: Die Straßen wurden schlechter und kurvenreicher mit jedem Kilometer, den wir Yuanyang näher kamen und ich wechselte nur noch vereinzelte Worte mit zwei anderen Einheimischen.

 

Ziemlich durchgeschüttelt, mit Kopfschmerzen und einem leichten Übelkeitsgefühl stieg ich letztendlich aus dem Minibus, der uns die letzten Stunden nach Yuanyang chauffiert hatte. Ich dachte in diesem Moment nur: "Oh, je, das muss ich wieder zurück fahren!..." (ich hatte Glück, der Rückweg ging über eine andere, bessere Straße, durch's Tal statt am Hang entlang)

Aber ich erholte mich schnell, denn die Luft in dem kleinen Ort war traumhaft und der Fahrer zeigte mir das Gasthaus aus dem Lonely Planet, nach dem ich ihn gefregt hatte, sodass ich in Nullkommanichts eine Unterkunft und einen Platz für meine Sachen hatte. Es gab zwar nicht genug Wasser zum Duschen, aber immerhin gab es welches und ich hatte einen schönen Raum für mich allein mit Ausblick auf die Reisterassen, kaum trat ich aus dem Zimmer auf die direkt davorliegende Terasse. Konnte nicht klagen.

Es war schon abends und so beschloss ich, mich einfach ein wenig im Ort umzusehen und die Leute zu beobachten. 

Und wie ich so dasaß - auf dem Rand eines trockengelegten Brunnens in Form von Reisterassen - sprachen mich drei Mädchen um die 10 Jahre an. Zunächst noch etwas schüchtern, wurden sie immer anhänglicher, als sie merkten, dass ich doch einiges verstehe und nicht beiße. Sie gaben sich auch wirklich alle Mühe, dass ich verstehe, sprachen mit Händen, Füßen, Geräuschen und fanden für jeden Satz drei Möglichkeiten, es auszudrücken, bis ich es raus hatte. Am nächsten Morgen wollten sie mir die Reisterassen zeigen, und das Angebot nahm ich gerne an. Und so erlebte ich in Yuanyang das ländliche China auf die bislang wohl unverfälschteste Art auf meiner Reise: Wie es sich anfühlt, im Schlamm der Reisterassen bis zu den Knien zu versinken, wie viel Spaß es macht, zwischen den Feldern auf den schmalen Wällen aus getrocknetem, bewachsenem Lehm zu balancieren, in der Hand eine Plastikschale mit lauter kleinen, hüpfenden, frischgefangenen Fischen darin (ja, mit bloßer Hand ;)). Wie es ist, einen Tag lang kein Englisch zu sprechen, Männern beim Feldbestellen zusehen, Kinder herumrennend und in die Matsche fallend, und Frauen in Minoritätenkleidung als alltäglich wahrzunehmen, statt als Touristenattraktion (denn genauso sehen die Einheimischen sie), die schwatzend gemeinsam Wäsche waschen und Mais und Kartoffeln grillen.

Es ist aber auch ein China, in dem viele Kinder und Jugendliche die modernste Kleidung tragen - ganz im Gegensatz zu ihren Eltern -, in dem man 105 Fernsehprogramme ungestört empfangen kann und in dem die Kinder vor den gleichen Mathematikproblemen stehen, wie wir in unserer Schulzeit. Einem der Mädchen habe ich bei Bruchrechnung geholfen (Viel aufgemalt und immer "keyi, bu keyi?" oder "dui ma?" gesagt: "Geht das oder nicht?" "Ist das richtig?" Hat funktioniert^^)

Hier spielen ältere und jüngere Kinder zusammen, alle kennen sich, obgleich auf die Erwachsenen verdammt viele Kinder kommen (daher kommt die Übervölkerung Chinas^^), spielen Badminton und fahren Fahrrad auf großen Dachterassen, zwischen Wäscheleinen. 

Männer sitzen in Nischen und rauchen den berühmten Yunnantabak in einer Art Wasserpfeife.

Die Kids zeigten mir nämlcih letztlich nicht nur die Reisterassen, sondern auch ihre Zuhause, ihre Freunde, die Nachbarschaft (viele kleine Gassen, die so privat wirkten, dass ich allein vermutlich gezögert hätte, sie zu erkunden) und ihre Lieblingspltze in der Stadt. Auch den buddhistischen Tempel, der schon leicht tibetisch angehaucht ist, mit den leuchtenden Farben und den Gebetsfahnen, in dem sie sich in jeder Halle auf ein Kissen knieten und sich dreimal mit aneinandergelegten Händen verbeugten. Nicht mit der Ruhe und Besinnung, die man an vielen älteren Tempelbesuchern sieht, sondern mit einer Geschwindigkeit, die es ihnen unmöglich gemacht haben muss, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen: Es war eher wie ein Tribut der geleistet werden muss, das dreimalige Verbeugen, als ein Gebet. Aber wir haben ja früher auch einfach die Hände gefaltet und während des Gebets uns umgesehen oder gelangweilt. Es war jedenfalls interessant einmal Kinder - ohne ihre Eltern - in einem Tempel zu erleben. Wie sie alles anfassen! Am Ende hatten sie rote Hände und zum Teil rote Shirts, weil die Wandfarbe abgefrbt haben muss...

Ich wäre gern noch länger geblieben, auch wenn ich bereits viel erlebt hatte, aber die Zeit drängte, ich musste zurück zu Jainshui, um am nächsten Tag den Bus nach Kunming nehmen zu können, der mich rechtzetig dort absetzen sollte, um den Zug nach Nanning zu erwischen.

Im Vorbeifahren hatte ich schon einen kleinen Blick auf Jianshui erhaschen dürfen und mir gefiel, was ich sah, sodass ich mich freute, die Stadt genauer zu erkunden. Außerdem sehnte ich mich nach einer ordentlichen Dusche. Ich nahm mir fest vor, diesmal einen Schlafplatz mit genügend Wasser zu finden. Und - wer sagt's denn - ich finde ein Youth Hostel, welches nicht im Lonely Planet steht: Schön zentral, schön hergerichtet in einem der alten Gebäude, mit nettem Innenhof und netten Leuten. Und Wasser! 

Ich war glücklich. Nachdem ich auch noch was zu essen gefunden hatte, war ich rundum zufrieden und den Abend verbrachte ich in geselliger Runde mit netten chinesischen Studenten, mit denen ich mich auf Chinesisch-Englisch unterhielt. Außerdem spielten wir Spiele wie "Guess Who" (das mit den Zetteln auf der Stirn). Am nächsten Tag versuchte ich zwischen den neu im alten Stil aufgemöbelten Häusern die echten alten Schätze zu finden, was wirklich Spaß machte und wofür ich bereits um 7 Uhr das Hostel verließ. 

Ich traf auf einen seltsamen Mann, der mich zuquatschte und den ich nicht im Geringsten verstand, auf leere Shoppingstraßen (die für die Touristen) und zur frühen Stunde bereits wohlgefüllte Marktplätze zwischen den alten Gebäuden des Städtchens und erhaschte Blicke in viele Wohnungen, denn fast alle Türen standen offen.

 

Gegen frühen Nachmittag musste ich jedoch auch dieses entspannte Fleckchen Erde verlassen, vor mir lagen - das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht - die stillsten Bus- und Zugfahrten meiner bisherigen Chinaerfahrung, denn normalerweise ist da immer wer zum Quatschen.

Aber es war auch ganz angenehm. In den letzten Tagen hatte ich mein Chinesisch so oft testen dürfen, dass ich des Chinesischen müde geworden war; was ich wörtlich meine, denn es ist sehr anstrengend, ständig Leute verstehen zu wollen die in einer Sprache mit dir reden können, die du kaum gelernt hast, von beherrschen will ich garnicht sprechen.

So schlief ich fiel - allerdings will ich nie wieder ein Bett ganz oben im Hardsleeperabteil: Das schlimmste ist nicht, dass man sich nicht aufrichten kann, Schlimm ist, dass man nur einige Dezimeter von einer kalte Luft blasenden Klimaanlage entfernt liegt. Ich war erstmal am Schniefen. War aber wieder gut, kaum dass ich aus dem Zug stieg: Wie kann es auch anders sein, bei 34°C und Windstille...

 

Ja, jetzt bin ich wieder hier, schwitze mich zu Tode, esse Eiswürfel und trinke Wasser. Meine monatlichen Lebenshaltungskosten werden SO steigen, wenn man sich den momentanen Trinkwasserverbrauch so ansieht... 

Ansonsten ist aber ales gut. Wenn wir in Nanning Luft und Wetter wie in Yunnan haben könnten, ich würde diesen Ort noch richtig lieben lernen, glaub ich :)

Macht's gut, ich hoffe ihr hattet auch einen schönen --- Mayday!Mayday! 

:D

 

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