Zhu Ying Tai und Liang Shan Bo

oder: Die liebenden Schmetterlinge

Zhu Yingtai war Tochter einer wohlhabenden Familie in der ostchinesischen Provinz Zhejiang. Sie war schön und manchmal eigensinnig, da sie das einzige Kind der Familie war. Ihr Vater liebte sie sehr und wählte viele Verehrer für seine Tochter aus, als sie das heiratsfähige Alter erreichte. Allerdings interessierte sich Zhu Yingtai für keinen der Ehekandidaten. Zhu Yingtai hatte ihre eigene Vorstellung, sie wollte zur Schule gehen und später selbst einen Ehemann finden. Ihr Vater fand die Idee zunächst lächerlich, denn zu jener Zeit durften nur Jungen zur Schule gehen. Er gab schließlich nach, aus großer Liebe zu seiner Tochter.

Zhu Yingtai verkleidete sich als Junge und nannte sich Zhu Jiuguan, das ist ein männlicher Name. In der Schule lernte sie den talentierten und tugendhaften jungen Mann Liang Shanbo kennen. Beide studierten und wohnten unter dem gleichen Dach und gingen miteinander wie Brüder um. Drei glückliche Jahre waren vergangen, als Zhu Yingtai eines Tages einen Brief von ihrem Vater erhielt. Zhu Yingtai wurde aufgefordert, nach Hause zu kommen. Ihr Vater sei schwer krank, hieß es im Brief.

Als Zhu Yingtai zu Hause ankam, stellte sie fest, dass ihr Vater gar nicht krank war. Er hatte eine Verabredung seiner Tochter mit dem Sohn einer reichen Familie arrangiert. Diesmal war Zhu Yingtais Ablehnung zu schwach und deswegen vergebens.

Als sich Liang Shanbo plötzlich darüber im Klaren war, dass Zhu Yingtai ein Mädchen war, stellte er fest, wie tief er in sie verliebt war. Aus großer Trauer und Reue wurde er krank und ist ein paar Monate später gestorben. Sein letzter Wunsch war, am Fuß des Qingdao-Berges begraben zu werden. Zhu Yingtai entschied, den Mann, den ihr Vater für sie ausgewählt hat, zu heiraten. Als der Brautzug auf seinem Weg zum Haus des Bräutigams am Qingdao-Berg vorbeifuhr, brach plötzlich ein Wirbelsturm los und der Brautzug wurde aufgehalten. Als Zhu Yingtai sah, wo sie war, stieg sie aus der Brautsänfte und weinte bitterlich an Liang Shanbos Grab. Durch ihre Tränen gerührt, tat sich das Grab plötzlich auf. Zhu Yingtai konnte nicht anders und trat in das Grab ein. Sofort wurde alles hell und der Wirbelsturm hörte auf. Die anderen Gäste im Brautzug sahen später über dem Grab zwei tanzende Schmetterlinge. Die Schmetterlinge flogen fort und trennten sich nie wieder voneinander.

 

Wenn Chinesen heute zwei tanzende Schmetterlinge sehen, glauben sie deshalb gern, dass es Liang Shanbo und Zhu Yingtai sind.

 

Erst letzte Woche hat mir ein Junge diese Geschichte erzählt, jetzt wo man ständig tanzende Schmetterlinge in allen Größen und Farben sieht.

 

Niulang und Zhinü

die Geschichte von dem Hirten und der Weberin

Es lebte einst ein armer Hirte, der sein ganzes Leben nur Kühe gehütet hatte. An einem schönen Sommernachmittag geriet er nun im tiefen Gebirge in einen geradezu überirdisch und paradiesisch schönen Park, ohne zu wissen, wie er dorthin gekommen war. Er mochte einen Augenblick geschlummert haben, als er auf seiner Kuh ritt. Es war kein menschliches Geräusch in der Nähe zu hören, es war still, nur die fallenden Blüten schwammen auf dem klaren Wasser der Bäche dahin. Als er erstaunt und furchtsam um sich blickte, sagte die Kuh, die ohne Zögern weiter schritt: "Sei unbesorgt, ich bringe dich nur zu den Göttinnen, die heute hier herabgestiegen sind und baden. Da ist eine sehr schöne Jungfrau dabei, die du zu deiner Frau machen sollst." Der Hirte erschrak über diese Worte und die Vermessenheit seiner Kuh. „Ich bin nur ein armer Hirte, wie kann ich eine Göttin zur Frau nehmen?" fragte er. "Das ist ganz leicht", meinte daraufhin die Kuh ganz gelassen. "Nimm ihr einfach ihr rotes Kleid weg und gib es ihr erst dann zurück, wenn sie eingewilligt hat, deine Frau zu werden."

 

Kaum hatte die Kuh diesen wertvollen Hinweis beendet, sah der Hirte schon einen wunderschönen Teich durch die blühenden Bäume schimmern und die wunderschönen himmlischen Jungfrauen baden. Die Kuh führte ihn mit sachten Schritten zu der Stelle, an der die Kleider der Göttinnen lagen. Der Hirte nahm schnell das rote Kleid und versteckte sich hinter einem Baum. Die badenden Göttinnen erschraken natürlich, als sie eine irdische Kuh und vor allem einen irdischen Mann bemerkten. Schnell kleideten sie sich an und wollten sich auf den Weg gen Himmel machen, während die lieblichste und schönste von ihnen schamhaft herumlief und verzweifelt nach ihrem roten Kleidchen suchte. "Dein Kleid ist hier", sagte der Hirte, "und ich werde es Dir auch sofort zurück geben, wenn Du mir versprichst, meine Frau zu werden." Weil sie sich ihrer göttlichen Nacktheit ziemlich schämte, gab sie dem Hirten das geforderte Versprechen, er gab ihr das Kleid zurück und führte sie dann, ordentlich verhüllt, ab nach Hause.

Ein ganzes Jahr lang lebte der Hirte in Glück und Freude mit seiner Göttin.

 

Eines schönen und sternklaren Abends aber, als sie vor ihrer Hütte saßen, sagte sie, sie müsse doch wieder in den Himmel zurück, weil sie den Zorn des Himmelsherrn fürchte. Sie sei schließlich die Weberin, die im Sternbild "Weberin" oder Wega lebt und die Hoftracht des Himmelsherrn weben müsse. Der Hirte verstand dies wohl, wollte aber nicht ohne sie allein auf der Erde bleiben. So begleitete er sie in den Himmel. Als sie endlich dort ankamen, wurde die Weberin heftig vom Himmelsherrn gescholten, weil sie solange auf der Erde gelebt hatte und zudem noch einen irdischen Mann mitbrachte. Dann aber verzieh er ihr doch und setzte sie wieder auf ihr Sternbild, während er den Hirten zurück auf die Erde schicken wollte. Da weinte die Weberin bitterlich und flehte den Himmelsherrn an, sie könne ohne ihren Hirten nicht mehr leben, geschweige denn weben. Das sah der Himmelsherr schließlich ein und duldete auch den Hirten im Himmel. Er bestimmte aber, der Hirte dürfe nur auf der anderen Seite der Milchstraße leben und jedes Jahr nur einmal zu seiner Frau kommen.

Seitdem sieht man in der Tat den Kuhhirten im Sternbild Adler auf der linken Seite der Milchstraße sitzen, während die Weberin auf der rechten Seite ihren Platz hat. Sie müssen also das ganze Jahr getrennt leben, nur um sich einmal im Jahr wieder sehen zu können, und das auch nur für einen kurzen Augenblick, denn die Entfernung am Himmelszelt ist groß. Bis der arme Hirte ankommt, ist es bereits Mittag, und kaum ist er angekommen, muss er sich auch schon wieder auf den Heimweg machen, um noch vor Sonnenuntergang sein Sternbild zu erreichen.

Am siebten Tag des siebten Monats nach dem Mondkalender, fliegen nun alle Raben der Welt gen Himmel und bilden mit ihren Rücken eine tragfähige Brücke über die Milchstraße. Über sie kann der arme, sehnsuchtsgeplagte Hirte dann bequem zu seiner Weberin gelangen.

Deshalb ist an dem besagten Tag auf der Erde auch kein Rabe zu sehen. Und wenn es regnet, sagt man: "Oh, die Weberin weint wieder beim Abschied."

 

Als wir in der Yilinghöhle waren, sah eine Gesteinsformation der Rabenbrücke über die Milchstraße ähnlich und tatsächlich bildeten sogar die Schatten auf den zwei Seiten die Formen einer Frau und eines Mannes (mit ein bisschen Fantasie). Die Fremdenführerin zeigte den Chinesen diese Felsformation, mir musste die geschichte nachträglich natürlich nochmal erzählt werden. Ich fragt, weil ich wusste, sie hatte etwas wichtiges erzählt: Alle murmelten und raunten, viele lächelten. Sie lieben diese Geschichte...

 

Bai Su Zhen - Die Legende der weißen Schlange


Es waren einmal auf dem Emei-Gebirge zwei Schlangen, die sich in mehr als

1000 Jahren vervollkommnet hatten. Eine Schlange war weiß, die andere

war grün. Die irdische Welt gefiel ihnen sehr, und so verwandelten sie sich in

zwei wunderschöne, junge Frauen, um fortan als Menschen auf der Erde zu

leben. Sie trugen die Namen Bai Suzhen und Xiao Qing. Sie lebten am  bekannten Westsee in Hangzhou.

Die Landschaft am Westsee war wirklich traumhaft. Inmitten dieser Landschaft sah Bai Suzhen einen jungen Mann uund verliebte sich auf den ersten Blick. Xiao Qing, die ihrer Schwester helfen wollte, ließ es plötzlich regnen und sie suchten hastig unter eine Weide Schutz vor dem Regen. Da kam der jungeMann näher, der einen Regenschirm in der Hand trug. Er hieß Xu Xian. Er gab er ihnen seinen Schirm und begleitete sie in ihr Haus. Bai Suzhen lernte so Xu Xian besser kennen und lud ihn für den nächsten Tag zu sich nach Hause ein. Xu Xian folgte der Einladung und begab sich am nächsten Tag in das Haus von Bai Suzhen. Bai Suzhen dankte Xu Xian für dessen Hilfe und fragte ihn nach seiner Familie. Da erfuhren die beiden Frauen, dass Xu Xians Eltern schon längst gestorben waren und er selbst mittlerweile im Haus seiner Schwester wohnte und sich in einer Apotheke nützlich machte. Bai Suzhen sagte zu Xu Xian, dass sie ihn gerne heiraten möchte. Natürlich war Xu Xian sehr erfreut darüber. Xiao Qing organisierte eine Hochzeit für die beiden Verliebten. Später eröffneten sie eine Apotheke. Bai Suzhen besaß gute medizinische Kenntnisse und behandelte jeden Tag zahlreiche Patienten. Die Leute mochten sie sehr und nannten sie fortan Bai Niangniang (in etwa Weiße Junge Frau).

In Zhejiang befand sich der Jin Shan Si - Tempel, in dem ein Mönch namens Fa Hai wohnte. Er wußte, daß Bai Suzhen eine 1000-jährige Schlangenteufelin war. Fa Hai war der Meinung, dass solche Schlangenteufelinnen Menschen Schäden beibringen könnten. Er wollte mit allen Mitteln Xu Xian von Bai Suzhen trennen. 

Eines Tages kam Fa Hai in Xu Xians Haus und sagte ihm, dass dessen Frau eine Schlangenteufelin war. Xu Xian glaubte ihm nicht.

Da schlug Fa Hai ihm vor, am Drachenbootfest am 5. des 5. Monats nach dem traditionellen chinesischen Mondkalender Bai Suzhen Rauschrotwein trinken zu lassen. Dann würde sie ihre ursprüngliche Gestalt zeigen.

Es war eine Sitte, dass die Menschen am Drachenbootfest Rauschrotwein tranken. Man sagte, der Rauschrotwein sei ein Mittel gegen Schlangen. Bai Suzhen und Xiao Qing wollten dem Fest eigentlich ganz und gar ausweichen. Allerdings fürchteten sie, dass ihre Handlungsweise Xu Xians Zweifel erwecken würde. Also stellten sie sich krank.

Obwohl Xu Xian den Worten Fa Hais nicht glaubte, überredete er Bai Suzhen, ein Glas Rauschrotwein zu trinken, weil dies Sitte beim Drachenbootfest war. Nach dem Trinken fühlte sich Bai Suzhen nicht wohl, als ob sie betrunken wäre. Xu Xian nahm seine Frau zur Erholung zum Bett unter und ging dann ein Ernüchterungsmittel für sie machen. Als er zurückkam, sah er plötzlich eine riesige weiße Schlange auf dem Bett. Xu Xian wurde sofort zum Tode erschreckt.

Als Bai Suzhen wieder zu sich kam und sah, dass Xu Xian bereits gestorben war, war sie sehr traurig. Sie ließ Xiao Qing  Xu Xian betreuen und ging selbst Schimmerndes Ganoderma vom Gottesberg stehlen, weil nur dieses Heilkraut Xu Xian wiederbeleben konnte.

Damals war Bai Suzhen bereits für 7 Monate schwanger. Sobald sie auf den Gottesberg eintraf, wurde sie von Gotteskindern, die dort Wachedienst hatten, entdeckt. Weil die Gotteskinder Bai Suzhen das Heilkraut nicht geben wollten, war die Frau gezwungen, gegen diese Bergswächter mit allen Kräften zu kämpfen. Der Unsterbliche auf dem Berg, Nan Ji Xian Weng, wurde von der wahren Liebe von Bai Suzhen zu Xu Xian gerührt, so gab er ihr das Heilkraut zur Rettung ihres Manns.

Xu Xian wurde wiederbelebt, allerdings hatte er noch Angst. Doch Bai Suzhen hatte eine Idee: Sie verwandelte einen weißen Gürtel in eine große weiße Schlange und zeigte sie Xu Xian. Dann glaubte Xu Xian, daß seine Frau keine Schlangenteufelin war. Die Beiden waren wieder ausgesöhnt.

Allerdings fand Fa Hai sich mit seiner Niederlage nicht ab. Mit Tricks entführte er Xu Xian und sperrte ihn in den Tempel Jin Shan Si ein. Bai Suzhen und Xiao Qing machten sich auf die Suche nach Xu Xian, kamen auch zum Tempel und kämpften mit Fa Hai. Weil Bai Suzhen schwanger war, hatte sie beim Kampf starke Bauchschmerzen und wurde besiegt. Die beiden Frauen zogen sich an die Ufer des Westsees zurück. Bai Suzhen erinnerte sich daran, wie sie und Xu Xian hier kennen gelernt hatte, und war sehr traurig. Xiao Qing warf Xu Xian vor, Fa Hais Worten leichtsinnig zu glauben, und überredete Bai Suzhen, sich von Xu Xian zu trennen.

Unter der Hilfe eines jungen Mönchs flüchtete Xu Xian aus dem Tempel und traf seine Frau am Westsee. Bai Suzhen gab zu, daß sie wirklich eine Schlangenteufelin war.Doch hatte Xu Xian bereits die wahre, tiefe Liebe seiner Frau zu sich erkannt, und er schwor, er wolle mit ihr bis ins hohe Alter zusammenleben, egal ob sie eine wirkliche Frau oder eine Schlangenteufelin sei.

Sie kehrten nach Hause zurück. Bald gebar Bai Suzhen einen Sohn. Ausgerechnet da kam der böse Mönch Fa Hai wieder. Ungeachtet allen Flehens von Xu Xian, sperrte er Bai Suzhen unter der Leifeng-Pagode am Ufer des Westsees ein.

Xiao Qing ging zurück ins Emei-Gebirge, wo sie weiter ihre Zauberkräfte vervollkommnete. Später besiegte sie endlich den bösen Mönch Fa Hai und rettete Bai Suzhen aus der Pagode. So war die Familie wiedervereint.

 

 Wer hätte gedacht, dass eine “Schlangenteufelin” so schön, gutmütig und tapfer sein kann wie Bai Suzhen? So zeigt die Geschichte die Schönheit der wahren Liebe.

 

Am Westsee waren wir bereits und haben auch die Leifeng-Pagode gesehen. Doch heute sind die Spuren aller magischen Kämpfe, welche an diesen ruhigen Ufern tobten verwischt und vergessen.


 

Weise Weisen

 

Heimat ist nicht

da oder dort.

Heimat ist in dir drinnen

 - oder nirgends.


Hermann Hesse