Die Pinyinschrift und ihre Tücken

Die Pinyinschrift ist eigentlich ganz und gar nicht chinesisch, sondern nur erfunden worden, damit Menschen, die nicht von Geburt an in China leben einen Zugang zu dieser Sprache erhalten können. Trotzdem schreibe ich hier etwas darüber, damit ihr, die ihr ja alle nicht sonderlich vertraut mit den chinesischen Schriftzeichen seid, wisst, wie man Wörter hier ausspricht.

Zunächst einmal ist die Pinyinschrift angelehnt an die Aussprache der Buchstaben in Europa, das heißt, dass viele tatsächlich ausgesprochen werden, wie bei uns, so also: b, c (z, nicht k), d, f, g, k, l, m, n, p, s (scharf), t, y (wie j in Junge).

aber danach wirds kniffliger: Die Vokale werden oft zwar auch gesprochen wie im Deutschen, aber nicht immer. Das a bleibt wie es ist, außer in Verbindungen wie uan, ian: dann ist es ein ä.

Das e spricht sich wie ein kurzes "ö" so wie im Französischen "le", das i wie ein kurzes "e" am ende eines Wortes (außer in Verbindung mit y), sonst jedoch auch "i", das o immer wie in offen, nicht Ofen, das u fast immer wie ein u, aber nach y und Zischlauten wie ein ü.

Und h spricht man wie ein gehauchtes "ch" wie in Bach, r wie das englische z.B. in "are", w wie ein langes u.

Zu den Zischlauten: Es gibt einige: c, ch, s, sh, z, zh, j, q, x 

Das c spricht sich wie ein z im Deutschen, das ch wie das tsch in "Hatschi!", nur mit der Zunge nach hinten eingerollt, das s wie ein scharfes s oder ß im Deutschen, das sh wie "sch" (Schaf), nur wieder mit eingerollter Zunge, das z ist wie ein sehr weiches "ds", das "zh" ebenso weich, klingt wie das "j" in "Joe", nur viel weicher und auch mit nach hinten gerollter Zunge. Für das "j" versucht mal, das Wort "Jeep" zu lispeln, das "q" ist das echte, harte "tsch" aus "Hatschi!" mit flacher Zunge und das x klingt, als versuche man ch (wie in ich) und ein s gleichzeitíg zu sprechen.

So und jetzt sprecht mal alle Zischlaute hintereinander und schaut mal, ob ihr sie alle unterscheiden könnt. Und dann kennt ihr ein sprachproblem mehr, vor dem wir hier ständig stehen, insbesondere, da die Leute hier mit ihrem Dialekt es mit den Zischlauten auch nicht so genau nehmen...

 

Ein weiteres Manko der Pinyinschrift ist, dass es viele Wörter gibt, die zwar (in Schriftzeichen) unterschiedlich geschrieben werden, jedoch gleich ausgesprochen werden und damit im Pinyin auch gleich aussehen. Diese Wörter versteht man dann im Zusammenhang. Aber hier liegt wohl der Grund, warum sich eine Lautschrift hier nie als Schriftsprache durchsetzen wird...

 

Wer diesen Artikel gelesen hat und ein paar Wörter lernen will, der melde sich im Gästebuch. Wenn ein paar Lust drauf haben, erscheint hier bald der nächste Artikel :)

Das Leid des Chinareisenden - die vier Töne

Ab nächster Woche geht es los mit Chinesischunterricht - und vielleicht löst sich dieses Rätsel dann ja für uns :)

Vermutlich hat ein jeder von euch schon von den berühmt-berüchtigten vier Tönen im Chinesischen gehört, die diese Sprache angeblich in eine der schwersten der Welt verwandeln. Und tatsächlich ist es für uns Mitteleuropäer mit eingängiger, stetig gleichbleibender Satzmelodie beim Sprechen sicher erstmal ungewohnt, jedes Wort auf seine spezielle Art zu betonen. Das ärgerlichste an diesen Tönen ist, dass sie stark das Verständnis beeinflussen, denn viele Wörter, die gleich klingen bedeuten mit verschiedenen Tönen unterschiedliche Dinge, so heißt "shì" beispielsweise "sein", "to be", "shí" jedoch "zehn".

Das war übrigens jeweils die Umschrift der chinesischen Schriftzeichen in die Pinyin-Umschrift, für Menschen, wie mich, die mit den Schriftzeichen nicht mehr anfangen können, als sie (zum Beispiel auf Karte und Straßenschild) zu vergleichen. Man spricht den ersten Ton, wie das letzte Wort eines deutschen Befehls, den zweiten, wie das letzte Wort einer deutschen Frage, beim dritten stelle ich mir immer vor, "mhm" zu sagen, wenn man jemandem zustimmt und der vierte besticht durch seine Höhe...

 

Obgleich diese vier einem sicher das Leben schwer machen können, habe ich sie jedoch eigentlich ganz gern gewonnen: Die Sprache erhält durch sie einen ganz eigenen Klang, den sonst keine europäische Sprache vorweisen kann. Es mag erstmal ungewohnt und lustig klingen, aber nach und nach - und besonders, wenn man "echten" Chinesen beim Sprechen zuhört, wird die Spache immer faszinierender und schöner.

 

Ihr könnt euch ja an folgendem Text probieren:

 

Ein chinesischer Zungenbrecher

Pinyin:
shí shì shī shì shī shì shì shī ,shì shí shí shī 。shì shíshí shì shì shì shī 。shí shí ,shì shí shī shì 。shì shí ,shì shī shì shì shì 。shì shì shí shī ,shì shǐ shì ,shǐ shì shí shī shìshì 。shì shí shì shí shī shī ,shì shí shì 。shí shì shī ,shì shǐ shì shì shí shì 。shí shì shì ,shì shǐ shì shí shí shī shī 。shí shí ,shǐ shí shì shì shí shī shī shí shí shí shī shī 。

 

Der Text besteht aus mehr Worten und Bedeutungen, als erwartet, sieht man sich ihn in chinesischen Schriftzeichen an:

 

chinesisch:
石室诗士施氏嗜狮,誓食十狮。氏时时适 市视狮。十时,适十狮市。是时,适施氏适市。氏视十狮,恃矢势,使是十狮逝世。氏拾是十狮尸,适石室。石室湿,氏使侍拭石室。石室拭,氏始试食十狮尸。食时,始识是是十狮尸实十石狮尸。

 

Und das ist die - natürlich nicht sonderlich textnahe, jedoch sinngemäße - Übersetzung ins Deutsche:

 

deutsch:
In einem steinernen Raum gelüstete es einen Dichter-Gelehrten aus der Familie Shi nach Löwen; er schwor, er werde zehn Löwen essen. Von Zeit zu Zeit begab sich besagter Gelehrter in die Stadt und hielt nach Löwen Ausschau. Um zehn Uhr begab es sich, dass sich 10 Löwen auf den Weg in die Stadt machten, und es begab sich, dass sich auch der Gelehrte Shi eben um diese Zeit auf den Weg in die Stadt machte. Er sah die zehn Löwen, vertraute auf die Macht seiner Pfeile und brachte diese zehn Löwen den Tod. Er sammelte die Leichen der zehn Löwen auf und begab sich in sein steinernes Zimmer. Das steinerne Zimmer war feucht, er ließ das Zimmer von einem Diener auswischen. Als das steinerne Zimmer gewischt war, schickte er sich an, die zehn Löwen zu essen. Während er aß, begann ihm bewusst zu werden, dass diese zehn Löwenleichen in Wirklichkeit zehn steinerne Löwenleichen waren.

 

Wer glaubt, das hätte ich in der kurzen Zeit gelernt, täuscht sich natürlich. Nein, auch ich hab das nur abgeschrieben...

 

Weise Weisen

 

Heimat ist nicht

da oder dort.

Heimat ist in dir drinnen

 - oder nirgends.


Hermann Hesse