Neujahrsreise 5.Teil: Guangzhou

Von Yongding aus fuhren wir in einem so neuen Bus, dass sich noch niemand die Mühe gemacht hatte, die Polster von ihrer Plastikschutzhülle zu befreien. Die Strecke ging lange durch hügeliges Land und damit auch über kurvige Straßen. In Kombination mit dem Plastikgeruch (man konnte die Weichmacher in der Nase kitzeln fühlen) war diese Fahrt eher weniger angenehm. mmerhin wurden wir dann ja von unserem noch relativ jungen Gastgeber Huang Guangyi von der Metrostation abgeholt. Allein die Tatsache, dass Guangzhou eine Metro hat, muss erwähnt werden, es war die dritte chinesische Metro meines bisherigen Lebens, nach Hongkong und Shanghai. Wir waren also wieder in einer echten Metropole. Bei Johannes hatte die Stadt allein aufgrund des Metronetzes schon gewonnen. Mich hat die Stadt nicht soo sehr überzeugt, aber nach allem was uns vorher erzählt wurde, war ich doch auch angenehm überrascht. 

Unsere Unterkunft war auf jedenfall cool und verdient die Erwähnung: Homelike Inn (ja, das war es, denn Huang Guangyi vermietet einfach einige Räume seiner Wohnung, gefrühstückt wird im "Wohnbereich". Er hat das jedenfalls schön hergerichtet und war selbst sehr hilfsbereit und zuvorkommend. Seine Wohnung war im 9ten Stock eines Hochhauses und so konnten wir ganz schön weit über die anderen Häuser hinübersehen und in der Ferne (trotz der recht zentralen Wohnlage fern - die Stadt ist einfach gigantisch und mit Kleinstadtflair ist hier nicht zu rechnen, anders als in Shanghai) die Skyline ausmachen. Auch in Guangzhou gab es nicht weit von unser Bleibe einen Uighuren, den wir jedoch erst am 2ten Tag fanden, da wir am ersten Abend zu hungrig waren, um noch 200m weiterzulaufen. 

Am nächsten Tag sind ir nach Foshan gefahren (mit der Metro!), eine Stadt, die als Kleinstadt im LP beschrieben war, mit noch alten Brennöfen zur Porzellanfertigung, einigen historischen Gassen und ein, zwei Tempeln. Was von alldem noch der Wahrheit entsprach - tatsächlich stiegen wir aus und dachten, noch in Guangzhou zu sein - war die Existenz der zwei Tempel. In dem einen waren wir drin, für Caro - diesmal ohne Eintritt - sicher eine authentischere Erfahrung eines buddhistischen Tempels, als der in Hangzhou. Die historischen Gassen waren eine gigantische Baustelle. An ihrer Stelle sollten Betonklötze, etwas auf alt gemacht, die Hotels und Restaurants etc beherbergen sollten, gebaut werden. Schrecklich! Dafür haben wir noch einen tollen Garten einer spannenden Famile (Hießen sie Li, Johannes?) gefunden, sodass der Ausflug aus Guangzhou raus nicht ganz für die Katz war. Dennoch hatten wir erst den halben Tag rum, als wir zurück nach Guangzhou fuhren. Aber kein Problem, so konnten wir uns in Ruhe die Flussinsel Shamian ansehen, die noch mit all ihren Kolonialgebäuden erhalten ist und wo wir - unter anderem in einem Cafe namens Sternenbuchse - ein paar angenehme Stunden verbrachten. Am schönsten waren die vielen kupfernen Figuren, die überall herumstanden und aussahen wie direkt aus ihrer Zeit (1900-20) herauskatapultiert und in Metall gegossen. Sehr authentisch. Wir hatten mal wieder ein Stück Europa gefunden!

Am Abend waren wir Feuer und Flamme, als wir spitzkriegten, dass Merkel zur gleichen Zeit wie wir in der Stadt sein sollte. Wir heckten einige Pläne aus, sie zu treffen, die wir allesamt wieder verwarfen. Es wäre doch nur Zeitverschwendung gewesen. An diesem Abend erfuhren wir außerdem, dass unser Gastgeber recht regimekritisch eingestellt war, als wir ihn wegen Merkel fragten. Er liest auch immer eine regimekritische Zeitung. Keine Ahnung warum sowas überhaupt eine Existenzberechtigung hier hat...

Am dritten Tag wollten wir zu einem Antiquitätenmarkt, den wir nicht fanden, dafür aber einen tollen Park, der im LP nicht erwähnt wurde. 

Dann wollten wir noch ein bisschen herumschlendern, Schaufenster gucken. Daraus wurde jedoch nichts. Die Straße die im LP als tolle Shoppingstraße angepriesen wurde, war genau das: Shoppingtollwütig. Johannes wirkte nach einigen Minuten in diesem nicht enden wolllenden Chaos aus Lautsprechergeplärr, Anlock-Geklatsche, Herumgeschrei und Konsumrausch auch als hätte er Tollwut, nur der Schaum vor dem Mund fehlte. Während Caro und ich  uns zwar auch nicht besonders wohlfühlten, das ganze jedoch recht gelassen hinnahmen, wurde Johannes immer wütender, schneller, fluchend flüchtete er, wir zwei hintendrein. 

Na, die Stimmung war schnell wieder hergestellt, als wir im café saßen. Leider nur in einer weiteren Filiale einer gewissen Cafékette, denn jenes, welches wir eigentlich aufsuchen wollten, war in all den Jahren zwischen LP-Ausgabe und böser Realität dem Erdboden gleichgemacht. Abends kauften wir dann noch ein, um uns auf unsere langen Reisen nach Liuzhou (in Johannes Fall) und nach Yangshuo (das galt für Caro und mich) vorzuberiten. Und so endete dann auch der letzte gemeinsame Tag unserer Reise, denn Johannes wollte zurück nach Hause, während wir noch Teala in Gongcheng besuchen wollten. Doch dazu später...

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